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"Wir kriegen das ganz gut hin" - Präsident Michael Burkert im Saartalk

Diakonie-Flüchtlingshelferin Lüdeke-Braun und Präsident Burkert im Saartalk. Beide stellten sich den Fragen von Norbert Klein, Saarländischer Rundfunk und Peter-Stefan Herbst, Saarbrücker Zeitung zu dem Thema Betreuungssitutuation von im Saarland lebenden Flüchtlingen.

Der Saartalk ist eine Gesprächsreihe von SR und SZ. Diesmal stellten sich Maike Lüdeke-Braun von der Flüchtlingsberatung der Diakonie in der Landesaufnahmestelle in Lebach und Michael Burkert, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Saarland, den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. SZ-Redakteur Oliver Schwambach hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert. Zum Abschluss des Saartalks gilt es traditionell für die Gäste der Sendung, vorgebene Sätze schnell und möglichst spontan zu ergänzen.

Klein: Die Hilfsbereitschaft war ja zum Teil so riesig, dass Sie eigentlich mehr Helfer hatten als Sie gebrauchen konnten. Gibt es da eigentlich so eine Art Qualitätskontrolle bei den Helfern?

Lüdeke-Braun: Mittlerweile gibt es diese Qualitätskontrolle. Und da sind wir auch sehr froh. Im September letzten Jahres war es einfach so, die Menschen kamen nach Lebach und sagten, sie wollen die Flüchtlinge unterstützen. Es gab letzten Endes keine Kontrolle, wer sich in der Landesaufnahmestelle so getummelt hat mit Flüchtlingen, insbesondere bei der Arbeit mit Kindern. (…)

Herbst: Die Willkommenskultur aus dem vergangenen Sommer ist in dieser Ausprägung heute nicht mehr da. Es werden auch Rufe laut: ‚Macht die Grenzen dicht!'. Wie konnte es von der sehr großen Welle der Hilfsbereitschaft zu den mittlerweile massiven Gegenreaktionen kommen?

Burkert: (…) Es gibt auch Vorfälle wie in Köln, die sicherlich das Misstrauen gestärkt haben. Auf der anderen Seite stellen wir fest, sowohl in Lebach als auch, wenn wir in den Städten und Gemeinden unterwegs sind, das Engagement der ehrenamtlichen Helfer hat sich wenig verändert. (…) Natürlich haben sie auch die Erwartung, dass die Politik (…) diese Probleme auch löst, dass wir in Deutschland nicht überfordert werden. (…) Auf der anderen Seite, ich kann nachvollziehen, dass viele Menschen nach Deutschland kommen wollen. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, es ist ein bisschen das Bild wie es früher in Amerika gewesen ist: Hier kann man mit Bildung, mit Qualifikation etwas erreichen. Das ist ja auch nicht das schlechteste Bild, das Deutschland in der Welt darstellt.

Herbst: Sind beim Deutschen Roten Kreuz im Saarland die Belastungsgrenzen erreicht?

Burkert: Wir kriegen das ganz gut hin. Das ist ja auch wichtig, dass wir als Wohlfahrtsverband den Menschen helfen, die Hilfe brauchen. Das sind die Menschen, die zu uns gekommen sind, das sind aber auch Menschen, die hier leben. (…)

Klein: Seit der Silvesternacht in Köln ist das Thema Gewalt in den Fokus gerückt. Gibt es dieses Phänomen, richtet es sich vor allem gegen Frauen? Wie ist die Situation hier?

Lüdeke-Braun: (…) Wenn so viele Menschen auf engem Raum zusammenleben unter diesen Lebensbedingungen, mit all dem, was gelaufen ist an Fluchterfahrung, an Situation im Heimatland, an psychischem Druck, gibt es natürlich auch Gewalt in der Landesaufnahmestelle. Das war aber immer schon so, das hat sich auch nicht verändert. (…)

Herbst: In der öffentlichen Diskussion gibt es die Vorwürfe, und nicht nur von Pegida-Anhängern, Politik, Polizei, aber auch die Medien würden Straftaten von Flüchtlingen ignorieren oder zumindest verharmlosen. Ist da aus Ihrer Sicht etwas dran?

Burkert: (…) Mein Eindruck ist, dass wir eine sehr ausgewogene Berichterstattung in den Medien haben, dass wir natürlich auch vor der Fragestellung stehen, wie wir Recht und Gesetze in unserem Land durchsetzen. Das wird auch möglicherweise die Frage aufwerfen, ob wir auf der Polizeiseite nachrüsten müssen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass hier von den Medien oder Politik dieses beschönigt wird. Im Gegenteil, wir können ein Stück weit sogar stolz darauf sein, dass wir gerade von den Medien eine sehr offene Berichterstattung haben, die auch mit Vorurteilen aufräumt. Herbst: Frau Lüdeke-Braun, die Arbeit in der Landesaufnahmestelle in Lebach ist für mich . . .

Lüdeke-Braun: . . . weiterhin sehr interessant.

Klein: Herr Burkert, im Mittelpunkt der Arbeit des Roten Kreuzes stehen immer . . .

Burkert: . . . die Menschen.

Herbst: Die Flüchtlinge, die heute im Saarland sind, bewegt vor allem . . .

Lüdeke-Braun: . . . die Frage, wie sie hier ihr Leben gut gestalten können.

Klein: Bei der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen steht das Saarland . . . 

Burkert: . . .  nicht schlecht da im Vergleich zu anderen Bundesländern. Die Kommunen brauchen aber starke Hilfe von Seiten des Landes.

Herbst: Die Parolen der Pegida sind für mich . . .

Lüdeke-Braun: . . . abstoßend.

Klein: Die Positionen der AfD zur Flüchtlingsfrage sind für mich . . .

Burkert: . . . nicht nachvollziehbar. Da sind Rattenfänger am Werk, die versuchen Menschen für krude Ideen zu gewinnen.

Herbst: Am Roten Kreuz schätze ich besonders . . . 

Lüdeke-Braun: . . .  die gute Kooperation mit den anderen Verbänden, insbesondere die Hilfestellung als der Zugang der Flüchtlinge so hoch war.

Klein: An der Diakonie schätze ich vor allem . . .

Burkert: . . . das christliche Menschenbild, das tagtäglich in Hilfe für Menschen umgesetzt wird.

Klein: Wenn Sie beide einen Wunsch frei hätten, der Ihre Arbeit auf einen Schlag besser machen könnte, welcher wäre das?

Lüdeke-Braun: Ich würde mir wünschen, dass Menschen sich nicht auf die Flucht begeben müssen, dass sich die Situation in ihren Herkunftsländern verändert und sie da bleiben können, wo sie eigentlich bleiben wollen.

Burkert: Ich schließe mich Frau Lüdeke-Braun an und würde mir sehr wünschen, dass weiterhin viele Bürgerinnen und Bürger sich ehrenamtlich engagieren und weiterhin die Hilfe für Menschen an den Tag legen.

Quelle: Saarbrücker Zeitung

16. Februar 2016 09:52 Uhr. Alter: 8 Jahre